Auf unserem bisherigen Veloweg habe ich stets gedacht: „Das ist ist doch halb so wild, was wir da machen“. Mit drei Fahrrädern, einem Anhänger und zwei Kleinkindern vom Hirzel nach Kirgistian zu fahren, schien mir irgendwie „normal“ zu sein. Und ich lachte bloss, wenn andere Reisende uns liebevoll als Spinner bezeichneten.

In Aserbaidschan stelle ich meine lockere Einstellung plötzlich in Frage und werde mir der vollen Verantwortung bewusst, die ich hier trage. Nach saftigen Haselnusswäldern, Melonenfeldern und etlichen romantischen Chaî-Häuschen müssen wir auf dem Weg nach Osten starke Steigungen überwinden. Wir schieben die Räder bei 35Grad durch die pralle Sonne und ich finde gewisse Tagesetappen doch recht „extrem“. Die Ungewissheit ist unser treuer Begleiter: Wo finden wir ein Lebensmittelgeschäft? Wann können wir wieder Wasser füllen? Und finden wir noch einen Schlafplatz irgendwo im Schatten!?

Und doch reisen wir im grösstem Vertrauen, dass wir immer genau das finden werden, was wir brauchen (nicht unbedingt das, was wir suchen). Mitten in der trockenen Steppe, zwei Tagesetappen vor Baku, sind wir unendlich dankbar für zwei riesige Wassertanks, die uns Schatten spenden, eine kaputte Röhre, die ihr Wasser hergibt und der aufgehende Mond, der die azerische Steppe mit seinem Licht in eine surreale Landschaft verzaubert. Der Punkt der höchsten Verdichtung von Raum und Zeit wird greifbar. Ein Moment, der sich durch starke Emotionen ausdrückt – meist in Form von tiefer Demut.

Wegstrecke

Lagodekhi – Katex (Aserbaidschan) – Güllük – Köndälän – Sheki – Bayan – Qäbälä – Ismayilli – Muganli – 2Nächte in der vertrockneten Steppe von Ost-Aserbaidschan – Xirdalan – Baku